Das erweiterte Bundesschiedsamt hat gesprochen.

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Entlassmanagement 2.0  in Halle

Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) schreibt neue Regelungen zum Entlassmanagement der Kliniken vor. So sollen Kliniken künftig Arznei- und Hilfsmittel verordnen und Krankenscheine für bis zu sieben Tage ausstellen – doch Kassen, KBV und Krankenhausgesellschaft konnten sich bislang nicht auf die Ausgestaltung der Details einigen. Nun hat das erweiterte Bundesschiedsamt gesprochen.

Ab Sommer 2017 müssen die Krankenhäuser bei der Entlassung von Patienten nach klar geregelten Verantwortlichkeiten und verbindlichen Standards arbeiten. Diese sind für Patienten auf den Internetseiten der Kliniken nachzulesen. Je nach individuellen Erfordernissen soll für Patienten, die aus der voll- oder teilstationären Behandlung eines Krankenhauses entlassen werden, die Anschlussversorgung verlässlicher sichergestellt werden.

Kommt ein Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung ganz oder teilweise nicht zustande, setzt das Schiedsamt mit der Mehrheit seiner Mitglieder innerhalb von drei Monaten den Vertragsinhalt fest. Kündigt eine Vertragspartei einen Vertrag, hat sie die Kündigung dem zuständigen Schiedsamt schriftlich mitzuteilen. Kommt bis zum Ablauf eines Vertrages ein neuer Vertrag nicht zustande, setzt das Schiedsamt mit der Mehrheit seiner Mitglieder innerhalb von drei Monaten dessen Inhalt fest. In diesem Fall gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages bis zur Entscheidung des Schiedsamts vorläufig weiter. Kommt ein Vertrag bis zum Ablauf von drei Monaten durch Schiedsspruch nicht zu Stande und setzt das Schiedsamt auch innerhalb einer von der zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmten Frist den Vertragsinhalt nicht fest, setzt die für das Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde den Vertragsinhalt fest. Die Klage gegen die Festsetzung des Schiedsamts hat keine aufschiebende Wirkung.

Künftig soll die Krankenhaus­behandlung zur Unterstützung einer sektorenübergreifenden Versorgung der Versicherten ein Entlassmanagement umfassen. Dafür soll die Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) einen neuen Absatz 3a bekommen. Er gibt vor, dass Krankenhäuser vor einer Arzneiverordnung prüfen müssen, ob für die Arzneiversorgung unmittelbar nach der Entlassung eine Verordnung erforderlich ist. Dabei sollen sowohl medizinische als auch organisatorische Aspekte berücksichtigt werden, heißt es in der Begründung des G-BA-Entwurfs. Sofern auf die Entlassung ein Wochenende oder ein Feiertag folgt, können Krankenhäuser dem Versicherten die für die Versorgung erforderlichen Arzneimittel mitgeben – insbesondere dann, wenn die medikamentöse Behandlung durch die Reichweite der mitgegebenen Arzneimittel abgeschlossen werden kann. Des Weiteren sollen die Kliniken den weiterbehandelnden Vertragsarzt „rechtzeitig“ informieren – auch im Hinblick auf die medikamen­töse Therapie bei Entlassung, deren Dosierung und die im Rahmen des Entlassmanagements verordnete Arznei.

Wirtschaftliche Verordnung

Nähere Vorgaben zur Verordnung durch Krankenhäuser soll eine Ergänzung in § 9 Abs. 3 AM-RL machen. Es gilt das Gebot der Wirtschaftlichkeit: Krankenhäuser dürfen nur die Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen verordnen. Sollte eine solche nicht im Verkehr sein, kann eine Packung verordnet werden, deren Packungsgröße die Größe einer Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen gemäß Packungsgrößenverordnung nicht überschreitet. Sonstige Produkte können für einen Zeitraum von bis zu sieben Tagen verordnet werden.

Gültigkeit und Änderungen

Auch § 11 der AM-RL soll überarbeitet werden: Das „Kassenrezept“ wird grundsätzlich zum „Arzneiverordnungsblatt“ umbenannt. Voraussetzung für die Arzneiversorgung im Rahmen des Entlassmanagements ist „eine Verordnung auf einem ordnungsgemäß ausgestellten Arzneiverordnungsblatt“. Klinik-Verordnungen sollen als solche gekennzeichnet werden, um eine Unterscheidung von regulären vertragsärztlichen Verordnungen mit einer einmonatigen Gültigkeit zu ermöglichen. Krankenhaus-Verordnungen dürfen nämlich nur innerhalb von drei Werktagen beliefert werden. Zudem wird klargestellt, dass Änderungen am und Ergänzungen zum Klinik-Rezept der erneuten Unterschrift mit Datumsangabe bedürfen. Alles Weitere soll der Rahmenvertrag unter Berücksichtigung der AM-RL-Vorgaben regeln.

Es haperte an der Umsetzung.

Auf die Fehlentwicklung beim Entlassmanagement hatte der Gesetzgeber zuletzt mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz reagiert und entsprechende Aufgaben für eine bessere sektorenübergreifende Versorgung für Ärzte, Krankenkassen und Krankenhäuser im § 39 Abs. 1a SGB V definiert.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hingegen hält das Ganze für einen bürokratischen Super-GAU.

Das Schiedsamt habe mit seiner Entscheidung „ein bürokratisches Monster für die Krankenhäuser“ erschaffen, monierte die DKG am Freitag in Berlin. Krankenkassen und Kassenärzte hätten mit ihrer absoluten Mehrheit durchgesetzt, dass nunmehr jeder Patient in ein formales Entlassmanagement einbezogen werden muss, ob er es braucht oder nicht.

„Zu diesem formalen Entlassmanagement gehören Aufklärungsgespräche und das Ausfüllen von zwei Formblättern, mit der Möglichkeit des Patienten, datenschutzrechtliche Einwände zu erheben. Zeitlich bedeutet das, dass mindestens 50 Millionen Minuten Arbeitszeit gebraucht werden, das sind ca. 100.000 Arbeitstage. Entlassmanagement ist gut und richtig, aber nur für die Patienten, die es brauchen“, so DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum.

Zudem sind Softwaresysteme in den Krankenhäusern analog zur vertrags­ärztlichen Software zu zertifizieren, die Vorgaben zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung gelten auch für Kliniker. Vorgesehen ist, dass das Entlassmanagement für alle stationär behandelten Patienten gilt. Die Kliniken sind verpflichtet, auf allen Verordnungen die lebenslange Arztnummer (LANR) sowie die Betriebsstättennummer (BSNR) anzugeben. Da die meisten Kliniker nicht über eine LANR verfügen, müssen sie sich registrieren. Das wird voraussichtlich bei den Kassenärztlichen Vereinigungen erfolgen. Die DKG spricht von 50.000 betroffenen Klinikärzten. Zudem sind Softwaresysteme in den Krankenhäusern analog zur vertrags­ärztlichen Software zu zertifizieren, die Vorgaben zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung gelten auch für Kliniker.

Mit Inkrafttreten der Richtlinie könnten Krankenhäuser Entlassrezepte für Arzneimittel, Heil- und Hilfsmittel und andere veranlasste Leistungen und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen. Baum: „Ohne, dass es für die Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei Arzneimittel gebraucht wird, haben GKV und KBV mit ihrer Mehrheit vorgegeben, dass die Krankenhausärzte über die lebenslange Arztnummer der KVen zwangserfasst werden müssen.“ Zu diesem formalen Entlassmanagement gehörten Aufklärungsgespräche und das Ausfüllen von zwei Formblättern, mit der Möglichkeit des Patienten, datenschutzrechtliche Einwände zu erheben. Das bedeute 38 Millionen Blatt Papier und rund 50.000 Zwangsregistrierungen von Krankenhausärzten im KV-System, erklärte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Den Zeitaufwand bezifferte er auf mindestens 50 Millionen Minuten Arbeitszeit, das entspreche circa 100.000 Arbeitstagen. Entlassmanagement sei gut und richtig, aber nur für die Patienten, die es brauchen, sagte Baum. Der enorme bürokratische Aufwand erfordere viel zeitlichen Vorlauf. Daher könnten die Vorteile des Entlassmanagements, wie Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen und Entlassrezepte, erst zum 1. Juli 2017 in Kraft treten.

GKV-Spitzenverband: „Gewinner sind die Patienten“

Nach Ansicht des GKV-Spitzenverbandes werden mit der Entscheidung des Bundesschiedsamtes Patienten künftig nach einem Krankenhausaufenthalt lückenloser und damit auch besser versorgt. Denn der Versorgungsbedarf von Patienten richte sich nicht nach starren Sektoren- oder Abrechnungsgrenzen, erklärte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Johann-Magnus von Stackelberg. Die Entscheidung werde helfen, den Rechtsanspruch der Patienten endlich in allen Krankenhäusern durchzusetzen. Das Schiedsamt habe das richtige Maß gefunden zwischen verbindlichen Ablaufstandards in den Kliniken und Handlungsspielräumen, sagte von Stackelberg weiter. Gewinner sind seiner Ansicht nach die Patienten. Ihre Entlassung aus dem Krankenhaus werde künftig zielgerichteter geplant, damit der Übergang von der Klinik zum weiterbehandelnden Arzt oder zur nächsten Versorgungseinrichtung reibungsloser klappe.

Schiedsspruch zum Entlassmanagement